Montag, 3. Oktober 2016

Schluss jetzt!!! - und Gästebuch

 +++Delhi+++Berlin+++

Vielleicht ist es auch nen bisschen dick aufgetragen nach so nen paar Wochen radeln diesen Text zu schreiben.
Vielleicht.
Trotzdem will ich nen paar Gedanken zu meinen Eindrücken loswerden. Gar nicht so auf die Großvaterschiene, wie:
"Ich habe Einiges im Leben erlebt und auch Einiges verstanden."

Zuallererst habe ich gelernt, wie verdammt einfach es ist, solch eine Reise durchzuführen.
Am Anfang ging ich davon aus, erstmal nur bis Moskau zu radeln und dann weiter zu sehen. Nen Etappenziel ist einfacher zu verdauen. Ich hätte auf die ganzen Visas geschissen und wäre nach Berlin zurück gekommen, wenn ich keinen Sinn mehr in der Reise gespürt hatte. Auch weiß ich jetzt, dass ich mir viel zu viele Gedanken über meine Ausrüstung gemacht habe. Am Ende hatte ich fast alle elektrischen Geräte, auf die ich vorher nicht verzichten wollte, als Elektroschrott tief unten in meinem Gepäck. Außer meinem Smartphone ging alles kaputt und ich habe nichts vermisst. Traf ich andere Radreisende, erkannte ich anhand ihres Gepäcks, wie lange sie schon unterwegs waren. Je professioneller, desto weniger Kilometer standen auf deren Tacho.

Ich hab auch nen bisschen über mich gelernt.
Auf den Etappen, die ich allein geradelt bin könnte ich feststelen, dass ichs mit mir ganz gut aushalte. Ne Weile zumindest. Dann brauchte ich wieder dringend Gesellschaft. Mir fiel es immer leichter auf Leute zuzugehen. Zeit mit wildfremden Menschen beim Couchsurfing zu verbringen und in ihre Welt einzutauchen. Mich mit Leuten zu treffen und Tage oder Wochen miteinander zu verbringen. Mit ihnen zu fahren.
Dabei sind ein paar Freundschaften entstanden.

Auch über die Länder und deren Menschen konnte ich einiges lernen.
Beschreiben wir diese Straße auf der ich gefahren bin der Einfachheit halber als Welt. Meine Welt... Also meine Sicht auf die Welt...
So durfte ich eine großartige Welt kennen lernen. Gastfreundlich und clever. Eine Welt die einen optimistisch stimmen sollte. Voller guter Menschen die mir im Detail alle viel ähnlicher sind, als ich aus der Ferne vermutete. Eine Welt, die aber auch nicht besser ist als man erwartet. Eine realistische Welt voller Vorurteile und Korruption. Eine Welt die mich meine kleine Berlin-Mansfelder-Welt schätzen lässt. Mit all den Möglichkeiten die mir hier offen stehen und die nicht überall selbstverständlich sind. Die Möglichkeit mir selbst nen Partner auszusuchen und nen Job zu wählen. Hier meinem Atheistenkult fröhnen zu dürfen.
Ich bin natürlich nicht blöd- klar wusste ich das vorher.
Menschen zu begegnen, die mit anderen Tatsachen konfrontiert leben, verdeutlichte es mir aber. Es zu wissen und es zu begreifen ist nicht dasselbe. Das ist ne Sache die ich nie vergessen möchte
...
Hier ist der letzte Eintrag auf diesem Blog.
Die Reise ist vorbei.
Vielleicht nur soviel: Seht mal die Kommentarfunktion im Anschluss als Art Gästebuch. Ich hab ziemlich viel von mir geschrieben- jetzt würde mich interessieren, wer diesen Blog noch so gelesen hat. Und warum. Ich werde auch jede aufkommende Frage liebend gern in meiner ironisch sarkastischen Art nicht beantworten.
Traut euch.

Dienstag, 27. September 2016

Höhenkrank im Himalaya

 +++Delhi+++Manali+++Leh+++Srinagar+++Dharamsala+++

Ich musste bis Donnerstag warten bis ich meine letzten zwei Flaschen MAMPE erhielt. Diana hatte sie im Gepäck als ich sie frühs bei zeiten vom Flughafen abholte.
Wir fuhren zur Autovermietung, unterschrieben einen Stapel Papiere, unterzogen uns einer Belehrung und steuerten endlich unseren SUV zum Hostel um es mit Früchten, Wasser und Schnaps zu beladen.
Es war gar nicht mal soooo eine Spitzenidee, dass ich das erste Mal mit einem Rechtslenkerauto in Delhi zur Rushhour über die Bazaare fuhr. Fahre ich zu zimperlich, komm ich nicht voran und die Rikschas und Scooter hinter mir flippen aus. Fahre ich aggressiv, schiebe ich die Rikschas und Fahrräder vor mir von der Straße. Nur eineinhalb Stunden und zwei kleinere Kollisionen später verließen wir endlich den Großraum Delhi.

Unser Himalaya Abenteuer begann.

Die ersten Ausläufer des Gebirges und stellen uns vor die Tatsache, dass unsere Route Leh- Srinagar- Dharamsala- Delhi ziemlich ambitioniert war. Diana hatte die Planung im Vorhinein übernommen. ich kenne sie ja jetzt schon nen paar Jahre und weiß, das sie bei solchen Unternehmungen immer sehr optimistisch ran geht. Die letzte Tour die sie plante war ne Wanderung im Schwarzwald, die wir nur unter Einnahme harter Drogen geschafft hätten. Wir waren damals froh als am Ende der vier Tage die Hälfte der geplanten Strecke hinter uns lag und kürzten den Rest mit dem Bus ab.
Im Himalaya gibt es keine Abkürzungen.
Soviel dazu.

Durchschnittlich kraucht man mit ca 40 km/h in den Serpentinen herum. Alles dauert länger als gedacht. Allerdings ist das Fahren keineswegs lästig. Die Straßen sind ne Herausforderung und die zerklüftete und lebensfeindliche Landschaft ist der Hammer.
Der Rohtang Pass (3900 m) zählt als gefährlichste Straße der Welt. Bilder von herabstürzenden Trucks, mit Felsen blockierten Wegen und tiefen Abgründen schossen uns durch den Kopf. Ziemlich ernüchternd war dagegen dieses Abenteuer. Das gefährlichste was passieren kann ist, dass man sich keine Erlaubnis für den Pass besorgt hat, und der Ranger einen deswegen nicht fahren lässt. Die Straße war über lange Strecken ziemlich gut asphaltiert und machte nen sicheren Eindruck. Nervig waren nur die Mega -Kollonnen mit Militärfahrzeugen, die uns entgegen kamen und deren Anblick auf unserer Tour zum ständigen Begleiter werden sollte. In der Kaschmirregion herrscht seit über 70 Tagen Ausnahmezustand. Grund dafür waren Proteste der Kaschmirbewohner und deren blutige Auflösung durch das Militär bei denen über 70 Leute erschossen wurden und mehrere hundert verletzt. Einige Ortschaften sind nun komplett vom Militär kontrolliert. Mehrere Personen erhielten eine Ausgangssperre und müssen fürchten erschossen zu werden, wenn sie dagegen verstoßen. Das komplette Handynetz ist abgeschaltet und funktioniert nur sporadisch. Trotzdem verbreiten sich Nachrichten aus der Region rasant. Man erzählt sich von Übergriffen durch das Militär, vergewaltigen Frauen und erschossenen Kindern. Auf unserer Reise hatten wir das Glück uns von unterschiedlichsten Leuten über diesen Konflikt erzählen zu lassen. Indische Hindus sowie Buddhisten oder Muslime aus der Kaschmirregion.
Die Krise ist alt, kocht aber ständig wieder hoch und ist einer der Hauptgründe weshalb sich die beiden Staaten, Pakistan und Indien, gegenseitig mit Atomwaffen drohen.


Die Straße nach Leh führt auch über einige weitere Pässe. Bis zu 5300 m hoch, wo wir mit dem höchsten MAMPE der Welt anstießen. Eigentlich dachte ich, dass mir die Höhe bestimmt keine Probleme mehr machen wird. Ich hab ja genug Zeit in Pakistan und Kirgistan im Gebirge verbracht. Außerdem konnten wir die Etappen so planen, dass wir nie in zu großer Höhe schlafen mussten. Es erwischte uns trotzdem. Wir machten den Fehler und recherchieren vorher über "Höhenkrankheit" und so warteten wir nur darauf, das sich die Symptome bei uns einstellten. Wir schmissen Tabletten gegen die Kopfschmerzen, welche langsam aufzogen. Ein Mittel gegen Antriebslosigkeit und Bauchschmerzen hatten wir allerdings nicht.
Wir waren müde.
In einem Hotel checkten wir ein, schleppten unsere Sachen ins Zimmer und erwischten uns wie wir zwei Stunden später auf dem Bett aufwachten. Die Schuhe noch an. Die Zimmertür sperangelweit auf. Der Körper brauchte Erholung. Auch aßen wir kaum noch was. Bei dem Gedanken an ein Rührei mit Toast wurde mir schlecht. Das ganze hielt so ein bis zwei Tage an.

In Leh angekommen fühlten wir uns akklimatisiert und belächelten die Sauerstoffflasche, die unser Hotel bereit hielt. Allerdings gelang es nie, auch nur ein paar Treppen zu steigen ohne jappsend oben anzukommen. Die Luft war zu dünn. Trekking in Leh - der Hauptgrund für den Tourismus hier- fiel deshalb flach.

Der höchste befahrbare Pass der Welt lag zwei Stunden entfernt. Sollten doch nicht wir uns quälen - nehmen wir eine Bullet! Tapfer fuhr sie uns auf 5700 m, nicht ohne uns spüren zu lassen, das auch ihr die Luft knapp wird.
Auf dem Pass stand ein Schild: "Längerer Aufenthalt als 20-25 Minuten kann gesundheitsschädlich sein. "
Wahrscheinlich werde ich in meinem Leben nie eine größere Höhe erreichen. Auch wenn es mir hier auf dem Khardungla Pass ziemlich gut ging. Ich hatte keine Beschwerden. War ausgelassen und glücklich. (Euphorie- war das nicht auch ein Symptom?)

Der nächste Tag führte uns aus Leh, welches sich als kleine Backpackeroase im Himalaya präsentierte. Die Religion und somit das Straßenbild wechselte. Bunte buddhistische Dörfer umsponnen mit Girlanden aus Gebetsfahnen wurden von muslimischen Bazaarszenen, verhüllten Frauen und langbärtigen Männern abgelöst.
 "Alles Taliban!" stellten wir fest.
...
An einigen Tagen mussten wir uns sputen nicht in die Nacht zu kommen, an anderen trödelten wir rum und hielten wo es uns gefiel. Ein Gletscher reichte beinahe bis zur Straße. Die massive Erscheinung täuscht. Unter dem Gletscher fließt ein Bach, der gewaltige Eishölen bildet und die sich an mancher Stelle zeigten.

Nen bisschen mulmig war mir schon darauf rumzuklettern. Allerdings nicht halb so schlimm wie die letzten Kilometer dieses Tages. Die Straße führte an einer steilen Wand entlang. Rechts ragte der Berg in die Höhe, links war ein Abhang von mehreren hundert Metern. Hier hatte ich nix zu suchen. Irgendwie niemand.
"Wenn wir hier von der Straße abkommen, rollen wir nicht den Berg runter. Wir werden einfach nur fallen."
Zum Glück war es eine Einbahnstraße. Miese Ausweichmanöver mussten wir nicht fahren. Wäre auch auf dieser schmalen Piste nicht möglich gewesen. Mit ganz viel "Aaaaaalter! Sieh dir das an!!!" ...und ... "Das ist zu krass!!!" erreichten wir Sonamarg.

Eine touristische Stadt ohne Touristen. Die leerstehenden Hotels sind im Fachwerkstil erbaut, was den Ort wie eine kleines schweizer Dorf wirken lässt. Hier sollten wir die Nacht verbringen, bevor es durch das gefährliche Kaschmirgebiet geht.Die andere Hälfte des Dorfes sind Militärkasernen. Ganz ohne Fachwerk. Ich fühlte mich bei soviel Waffen nicht wirklich sicher und träumte von der schweizer Alm.
"Ab Sonamarg müsst ihr 90 km durchfahren. Haltet nicht an! Das Gebiet ist gefährlich! Die Kaschmirbewohner freuen sich gewiss über Touristen, allerdings hassen sie die Inder."
Man gut, dass wir mit unseren Delhi-Kennzeichen schon von Weitem zu erkennen waren. Um nicht für Inder gehalten zu werden setzten wir unsere Entdeckerhüte auf, die so dämlich waren, dass wir hofften die Leute damit zu verwirren.
Die Strecke war voller Militär. Beinahe wollten sie uns nicht durch Srinagar- fahren lassen. Bei einigen Kontrollen vergaßen wir die Hütte abzunehmen und wunderten uns nur über die albernen Soldaten die uns auszulachen schienen. Es war eine unangenehme Situation. In manchen Dörfern standen alle 50 m ein Militärposten. "Auf drei Anwohner kommt ein Soldat." Alle Geschäfte waren geschlossen. Die Straßen schienen belebt und zeitgleich tot.

Wahrscheinlich war auch der öffentliche Transport verboten. Keine Rikschas - keine Busse! Die Bewohner versuchten jedes mögliche Auto anzuhalten um mitgenommen zu werden. Plötzlich fiel der erste Stein auf unser Auto. Wir hielten nicht an. Es waren zu viele Leute auf der Straße. Später rannten Kinder mit Steinen bewaffnet hinter unserem Auto hinterher. Ich wollte hier weg.
"Ihr fahrt dann durch einen Tunnel hindurch und lasst damit Kaschmir hinter euch. Dort ist wieder alles friedlich." Wurde uns vorher erklärt. Und so war es auch. In einem kleinen verschlafenen Städtchen verbrachten wir den Abend.
....
In der Stadt war Rummel. Es gab ein viel zu schnell drehendes Riesenrad, Büchsenwerfen und ne Zaubershow. Als wir da auftauchten war es eine Szene als ob jemand eine Schallplatte anhält und einige Flutlichtstrahler auf uns richtet. Wir waren die Attraktion. Vom Riesenrad wurde herunter gerufen und die Leute versammelten sich um uns. Wir flüchteten in die Zaubershow, bei der der Magier gerade seine Assistentin in einer Box verschwinden ließ. Ziemlich elegant wie sie durch den doppelten Boden kroch.
Am Ende der Show wartete eine johlende Meute auf uns vor der Tür. Wir traten die Flucht an.

Dharamsala heißt der Ort in den der Dalai Lama mit seiner Gefolgschaft aus Angst vor den Chinesen flüchtete. Heute gibt es dort mehrere buddhistische Tempel und alles was der Backpacker benötigt. Vom Souvenirladen bis zum Tattostudio und 3D Sesseln. Die Frage, ob so etwas auch in der Vatikanstadt möglich wäre drängt sich auf. Die wahre Schönheit der Stadt zeigt sich erst, wenn man etwas in den Norden spaziert. Kleine Gästhäuser kleben am Hang und beherbergen lustige Touristen
"Die sind hier angekommen!" sagt Diana und nickt zu dem Männerpäärchen herüber. Beide erinnern an einen 40 jährigen Dirk Bach in buddhistischen Gewandt. Auch einige Frauengruppen sind unterwegs und genießen ihren goldenen Herbst. Ich muss an meine damalige Deutschlehrerin denken - eine alles dramatisierende Frau um die 60 mit Theaterdauerkarte. Würde mich nicht wundern wenn die mit ihren Chormädels hier auftaucht.
Die letzten Rupees verprassten wir beim Souvenirhändler. In ner kleinen Runde saßen wir zusammen und quatschen. Nebenbei würde er ein paar Ketten an uns los. Er war nen kleiner Motorradfanatiker und so hatten wir schnell ein Thema. Natürlich fährt er Bullet.
"Der Klang ist einmalig!" schwärmte er.
"Kraftvoll und meditativ. Es ist genauso wie wenn man eine Klangschale anschlägt. Wenn der Ton langsam erlischt hört man das pulsierende Blubbern der Enfield!"
Er stand auf, holte die größte Schale, dir er im Laden hatte und ließ sie erklingen.
Gemeinsam warteten wir auf den Ton.

Dienstag, 20. September 2016

riding the bullet

Noch immer treibe ich mich in Indien herum. Das Land mit den freundlichsten Hakenkreuzen der Welt.
...
Delhi ist überwältigend.
Überall sind Menschen und der Verkehr bildet einen eigenen Organismus der sich durch die Gassen quetscht. Nirgends kann man verweilen. Begibt man sich auf die Straße wird man sofort zu einem Teil dieses Verkehrs. Stehen bleiben und verweilen ist nicht möglich. Kein Wunder, dass ich ständig von Straßenhändler aufgefordert werde in ihr Geschäft zu kommen. Zumindest in der Ecke rund um mein Hostel. Hier treiben sich verdammt viele Touristen rum und die Händler haben sich darauf eingestellt. Man findet alles was der Backpacker benötigt. Fancy Batik-Shirts, Che Guevara Flaggen, Haschpfeifen., Nutella und Klopapier.

In meinem Zimmer traf ich auf Karsten aus Baden Württemberg. Er liebt das Reisen, ist gern unterwegs und will Land und Leute kennen lernen.
"Wie wars am Taj Mahal?" wollte ich wissen.
"1000 Rupees..." sagt er "... und des nur weil de Turischt bist! "DIE" hänn viel weniger bezahlt."
Mit "DIE" meinte er immer "Inder".
"Und damit nicht genug- Busfahrt war auch teuer! Und zu essen gabs nichts. Des Essen von "DENEN" kannste eh nicht essen. Auch alles dreckig hier! ... und überhaupt!"
Beinschmerzen hatte er auch, woraufhin er sich gleich ne Überdosis von irgendwelchen Schmerzmitteln reinpfiff. Die Nacht verbrachte er dann kotzend auf dem Klo.
"Desch kommt von dem Essen, weisch?"
Zwei Tage später brach er seine Reise ab und flog nach Deutschland zurück.
Ich bin mir sicher, Indien wird ihn nie wieder sehen.

Es nagte an mir, dass ich nicht mehr genug Zeit hatte mit dem Rad weiter nach Agra zu fahren um das Taj Mahal zu sehen. Das wäre alles zu knapp. Also entschied ich mich für das einzig Sinnvolle.
Ich mietete mir eine Royal Enfield 500 - das beste Motorrad Indiens - für nen Abstecher nach Agra. Diese Maschinen sind ein Überbleibsel der britischen Besetzung und haben sich auch seit deren Ende kaum verändert.
So vor mich hinblubbernd fuht mich meine "Bullet" durch hektische Dörfer und an Reisfeldern vorbei. Ständig brachte sie fitschende Fehlzündungen heraus. Erst spät abends kam ich in Agra an und mache mich auf die Suche nach nen paar Straßensnacks.
Ich fiel dort wieder auf wie ein bunter Hund. Selbst hinter meinen Rücken wurde über mich geredet. Zig Touristen verirren sich nach Agra- die Menschen sollten sich doch daran schon gewöhnt haben.
Der Grund war aber nen anderer.
Tatsächlich brauchte es den Rezeptionisten im Hostel, der mich darauf hinwies, dass ich rumlaufe wie ein Schwein! Mein Gesicht war rabenschwarz vom Staub der Straße.

Am nächsten Morgen schaute ich mir das Taj Mahal und das Agra Fort an. Schon beeindruckend, aber auch irgendwie genau so wie man sichs vorstellt. Am faszinierendsten ist die Akustik im Mausoleum des Taj Mahals. Man hört jeden Schritt, jedes Getuschel und jede Münze, die als Spende auf die Gräber geschmissen werden. Irgendwo hab ich auch gelesen, dass sich in diesem Raum das Echo bis zu 28 Sekunden hält.

Die Bullet brachte mich wieder sicher nach Delhi. Rechtzeitig genug um Diana zu treffen. Zusammen wollen wir mit nem Auto ins Himalaya Gebirge. Allerdings ließ sie auf sich warten. Anscheinend gefiel ihr es in Abu Dhabi so gut, das sie dort drei Tage abstieg. Ich verbrachte die Zeit damit durch die Bazaare Delhis zu stromern und Vorräte für den Trip zu besorgen.

Sonntag, 4. September 2016

Delhi - Delhi - Popelhi

+++Lahore+++Wagah Grenzübergang zu Indien+++Amritsar+++Narwana+++New Delhi+++


Lahore verließ ich am Sonntag.
Natürlich nicht, ohne vorher einen Abstecher zur Badshahi Masjid Moschee zu machen. Ein wunderschöner Bau mit weitläufigem Vorplatz. Irgendwie schaffen es echt viele Religionen ihren Gebetshäusern einen Character der Begegnungsstätte zu verpassen. Durch freie Flächen und ruhige Ecken und Winkel, in denen man sich zurück ziehen kann. Dagegen wirkt jede katholische Kirche wie Frontalunterricht.
Anschließend deckte ich mich beim Eis- und Süßigkeitendealer ein.

30 km hinter Lahore liegt die Grenze zu Indien, die aufgrund der Spannungen zwischen diesen Ländern auch als Berliner Mauer Asiens bezeichnet wird. Jeden Tag findet hier die zeremonielle Wachablösung statt. Eine Stimmung wie im Fußballstadion. Die Zuschauer, die sich auf die eigens für dieses Spektakel angelegten Tribüne stopfen, schwenken Fahnen und singen Lieder. Einige sind in den Nationalfarben amgemalt.
Der Anheizer erklärt, an welcher Stelle alle ausflippen müssen und stimmt Fangesänge an. Ein Man mit einer Kühlbox voll Eis quetscht sich durch die Menge. Dann kommen die Artisten, verkleidet als Soldaten mit Zirkuspferdmütze. Befehle werden geschrien, Trommeln ertönen und ein oder zwei Darsteller laufen im Stechschritt auf die beiden Grenztore zu.
Die Menge flippt aus, so wie wir das geübt haben.
In dem Moment als man denkt "Jetzt läuft er gleich ins Tor!" stoppt er und tritt sich mit seinem eigenem Schienbein vorn Kopf. Die Mütze bekommt einen Knick. Das wiederholt sich nen paarmal bis alle Leute applaudieren und auf die Straße stürmen.

Amritsar heißt die erste Stadt in Indien und ist berühmt für sein Bier.
Also vielleicht nicht weltberühmt.
Für Leute wie mich, die aus Pakistan kommen, genügt die Tatsache, dass es überhaupt welches gibt.
Der größte Tempel der Sikh liegt im Zentrum der Altstadt, umgeben von den stressigen Bazarstraßen. Harmandir Sahib oder auch - der goldene Tempel.
Irgendwo hatte ich gelesen, dass es möglich ist in diesem Tempel für einige Nächte unterzukommen. Klare Sache, dass ich das machen werde.
Sikhs tragen Turban und Dolch. Sie schneiden sich nie die Haare oder den Bart, weshalb sie alle 20 Jahre Alter aussehen. Sie sind häufig Vegetarier und verzichten auf den Konsum von Drogen. Noch nicht mal nen kleines Bierchen! - soviel dazu.
Betritt man den Tempel muss man seine Schuhe ausziehen und seine Haare bedecken. Man steigt durch eine kleine Pfütze, um seine Füße zu reinigen. Einige Pilger schöpfen ein wenig dieses Fußwassers ab und nehmen es mit. Hier beginnt also schon das Heilige. Der Tempel selbst ist ein beeindruckender Komplex aus Marmor und Gold. Ein vergoldestes Gebäude steht in der Mitte eines Fußballfeld-großem Wasserbasins.
Allerdings ist es kein Wasser sondern Nektar - heiliger Nektar. Leute baden darin um die Heilkräfte dieses Nektats zu empfangen. Ich treffe dort Sahel, der mich herumführt und mir einiges erklärt.

Der goldene Tempel wurde von Gott gebaut. In diesem befindet sich das heilige Buch der Sigh. Männer sitzen um dieses Buch und streichen mit einem Bündel aus Federn über die Seiten. Im gleiche Raum sind weitere Leute, die Melodien auf ihren Trommeln und Instrumenten erzeugen und dazu singen. Den ganzen Tag lang.
Wirkt alles sehr meditativ.
Dieser Gesang wird über Lautsprecher übertragen und durchflutet die gesamte Anlage. Tritt man aus diesem Gebäude heraus und läuft über eine Brücke zurück zum Beckenrand so empfängt man dort die Hostien.
Mit beiden zum Himmel geöffneten Händen tritt man vor einen alten Mann, der in eine Riesenschüssel voll braunen Pamps greift und dir eine Handvoll überreicht. Irgendein warmer süßer Brei. Dieser verklebt dir sofort die Eingeweide, der Zucker macht dich glücklich und die Wärme tut dir gut. Und das alles in diesem ruhigen und reinem Platz. Die Hektik der Bazarstraßen dringt hier nicht herein.
Perfekte Konditionierung!
Im Tempel ist alles kostenlos. Schlafen, trinken, essen.
Ein Kantinenkomplex speißt täglich 20 000 Pilgerer. Man setzt sich in Reihen auf den Boden. Leute laufen durch diese und werfen dir ein oder zwei Chapatibrote auf deine zum Himmel geöffneten Hände. Andere tragen eimerweise Bohnenmus oder Milchreis und bestücken damit deinen Teller. Also wenn ich mir dann mal irgendwann eine Religion aussuchen muss, kommt Sikh in die engere Auswahl.

Der Tempel ist ständig geöffnet. In der Nacht erstrahlt die gesamte Anlage. Die Luft kühlt sich zunehmend ab und die Pilger legen sich zum schlafen an den Beckenrand.


Nach zwei Tagen verlies ich den Tempel und brach auf zur letzten Radetappe nach Delhi. Noch knapp 500 km. Die letzten 500 wurden auch die entspanntesten 500. Mit dem Bewußtsein, das die Tour sich dem Ende nähert, genoß ich jeden Tag. Ich schlief nur in Hotels - kein Zelt mehr- und hielt ständig an um mir was leckeres zu Essen zu kaufen. Ziemlich abhängig bin ich von diesen indischen Süßigkeiten aus eingedickter Milch geworden. Burfi. Dazu ein oder zwei zuckersüße Milchtee.


Ich nutzte die Tage zum auf meine Tour zurück zu blicken. Auf die Länder und Leute die ich kennen lernen durfte und tröstete mich damit, dass Sie ja noch nicht ganz zu Ende ist. Noch habe ich ein paar Tage in Delhi, bis ich Diana treffe und mit ihr zu einer Tour in den Norden Indiens aufbreche.









Dienstag, 30. August 2016

Das Geheimnis Pakistans

+++Abottabad+++Islamabad+++Gujranwala+++Lahore+++


Das Alien ist immer noch unterwegs in Pakistan.
Perfiderweise hab ich jetzt Strategien entwickelt, um weiterhin in Ruhe radeln zu können. Ich vermeide Blickkontakt, der Gesprächsbereitschaft signalisieren könnte, meide überfüllte Plätze und stelle immer gleich klar:
"Ich spreche kein Urdu!" - die Landessprache Pakistans.
Das hilft so mäßig.
Außerdem heiße ich jetzt immer Alex - um nicht sofort in die Diskussion kommen:
"Ah du heißt Christian - bist du auch Christ?"
Und meine Radtour führt mich nur von Islamabad nach New Delhi - ne 14 Tage Tour. Das wirkt weniger interessant, bilde ich mir ein. Auch gebe ich meine WhatsApp Nummer oder meinen Facebook-Kontakt nicht mehr raus. Zumindest nicht den richtigen.
Eines Abends, ich war froh einen einigermaßen blickdichten Zeltplatz gefunden zu haben, löschte ich immer das Licht bei herannahenden Fahrzeugen und verhielt mich schaurig. Zelte ich allein bin ich immer übervorsichtig. Ich habe keine Lust auf Leute zu treffen, die einen die ganze Nacht belagern und ihren Freunden vielleicht noch ihre Entdeckung zeigen wollen. Vor allem, weil man so eine Situation nur aussitzen kann. Zelt wieder abbauen und flüchten ist keine Alternative.
Ich harre also in meinem Zelt, auf jedes Geräusch achtend, als plötzlich mein Handy klingelt.
Irgendein Pakistani, dem ich meine Nummer gab. Ich kann mich nicht mehr erinnern und gehe nicht ran.
Er schreibt mir daraufhin:
"Hey... Hallo... ich kann dich sehen!"
Super gruselig!

Trotzdem halten immernoch viele Motorradfahrer neben mir und quatschen mich voll. Auch egal, ob sie mir dabei so nahe kommen, das sich ihre Fussrasten in meinen Speichern verfangen.
"Wo kommst du her?- Wo willst du hin?"
Einer war ein wenig kreativer.
Er fragte mich: "Willst du Sex?"
"Wie Bitte?"
"Ob du Sex wilst? - Ficken?"
Fährt der in seinem traditionellem Kostüm bekleidete Kerl neben mir und macht mir so ein Angebot! Groteske Situation. Ich musste laut lachen!
"Ich würde dich auch bezahlen!"
"Sieh zu dass du verschwindest!" gab ich zurück, ohne den Preis abzuwarten, der mich ehrlich gesagt schon interessiert hätte. Nicht dass sich meine Meinung geändert hätte, wäre nur interessant meinen Marktpreis zu wissen.
...
(Ich grinse gerade vor mich hin - weiß ich doch genau, das mein kleiner Cousin regelmäßig diesen Blog meinen Großeltern vorlesen muss. Und mein schwerhöriger Opa sagen wird:
"Was schreibt der Junge da?"
Cousin:"... ficken..."
"WAAAAAS?" ... an seinen Hörgeräten herumdokternd
"FICKEN, ...OPA... FICKKK- KENNNN..!")
...
Diese Begegnung öffnete mir allerdings die Augen. Jetzt verstehe ich, warum es soviele alleinreisende Jungsgruppen gibt. Kerle die Hand in Hand, oder auch eng umschlungen auf der Straße laufen. Die Komplimente über meine Augen und meine Ohrringe erscheinen mir jetzt in nem anderen Licht und jetzt bin ich mir auch ziemlich sicher, das es doch kein Übersetzungsfehler war, als der Straßenhändler mir hinterher rief
"I love you!"
Oh man. und ich fand es noch lustig als ich ihm keck mit "I love you too, babe." geantwortet habe. Wahrscheinlich ist es denn Männern hier einfach gelungen eine frauenlose Gesellschaft zu errichten.
Eine riesengroße Gay-Community.
...
(Opa: "Eine was?"
Cousin"...Gay-Community..."
"WAAAAS?"
"GAYYYY.... OPA.... DAS IST, WENN MAN SCHWUL IST!"
Spätestens an dieser Stelle werden bei den Nachbarn die Gardinen wackeln.)
...
Anfang der Woche verbrachte ich ein paar Tage in Islamabad. Ne ziemlich weitläufige Stadt, nur teilweise dicht besiedelt. Das hatte ich mir irgendwie anders vorgestellt. Alles wirkt hier sehr sicher und beschützt. Viele Häuser haben ihre eigenen Wachposten. Egal ob Bank, Cafe oder Privatwohnung überall sitzen Sicherheitskräfte mit Schrotflinten davor. Auch gibt es zahlreiche fest installierte Polizeiposten auf den Straßen. Lustigerweise alle von Pepsi-Cola gesponsert.


So richtig war mit nicht klar was in Islamabad zu tun ist. Es gibt keine richtige Altstadt oder so. Also machte ich eine Werkstatt ausfindig, die diese wunderschönen pakistanischen Trucks bemalt und vertraute diesen mein Rad an.
- "pimp my bike" - Ich bin immer noch ziemlich glücklich über das Ergebnis. Ich finde es echt gelungen.

Um noch ein wenig Kultur in dieser Hauptstadt aufzuschnappen besuchte ich die größte Moschee Pakistans - die Fasil Mosque. Eher an ein übergroßes Schwimmbad erinnernd kann in mir nicht so richtig Ehrfurcht für dieses wichtige Gebäude auf.
Irgendwo trieb ich dann noch ein Naturkundemuseum auf.
Das war weniger informativ aber sau gruselig!

Die letzte Etappe in Pakistan führte mich nach Lahore.
Langsam merke ich dass ich in Südasien angekommen bin. nicht nur die vielen Rikschaas die sich durch die engen Gassen des Hauses quälen, auch die Natur ändert sich. Palmen stehen am Wegesrand und Geckos krabbeln an den Gemäuern.
Die riesigen Wasserbüffel sind allerdings mein Favorit. Fett wie Nilpferde und mit ihren Hörnern, die an BWL-Studenten im dritten Semester erinnern, stehen sie im Sumpf und beobachten dich. Ihre Augen sehen nicht so treudoof aus wie bei Kühen- sie haben etwas wildes, etwas katzenähnliches.

Beim Radeln hab ich jetzt ne neue Taktik, mit der ich noch schneller unterwegs bin.
Ist es mir zu anstrengend, geht's bergauf oder habe ich Gegenwind, so hänge ich mich einfach an einen der vorbeifahrenden Trucks und lasse mich einige Kilometer ziehen. Camouflage-mäßig verschmilzt ja jetzt mein Rad mit den Malereien auf den Trucks.

In Lahore traf ich auf Tahira, die mich in ihrer WG unterbrachte. Sie hatte auch gerade Besuch von Freundinnen aus Karachi, und so war es geritzt, das wir am nächsten Tag gemeinsam die Stadt besichtigen. Einige der Mädchen haben nen paar Jahre in den Staaten gelebt. Sie waren sehr aufgeschlossen, emanzipiert und selbstständig - entsprachen also so gar nicht dem typischen pakistanischem Frauenbild.
Vier unverschleierte Mädels und das weiße, blonde Alien ernteten nen Haufen Blicke.

Gemeinsam mit dem Bus zu fahren erklärt mit viel über die herrschenden Verhältnisse zwischen Mann und Frau. Die vorderen zehn Prozent des Busses sind für Frauen reserviert. Die Frauen haben ausreichend Platz, weil sie noch nicht einmal die zehn Prozent ausfüllen, während die Männer sich auf ihren Plätzen zusammenquetschen. Es ist aber nicht erlaubt, diese unsichtbare Grenzlinie zu überschreiten. An jeder Station stehen Sicherheitskräfte die das überwachen.
 ...
Das Wetter war diesig und passte somit zur Szenerie der Ruinen des Lahore-Forts. Alte Gemäuer die an mancher Stelle kunstvolle Strukturen offenbaren, lassen einen erahnen wie prunkvollen es hier zugegangen sein muss.



Unweit hierhin liegt der Rotlichtbezirk Lahores. Auf meine Frage, warum die Polizei das duldet, erklärte man mir, das Polizisten die häufigsten Kunden sind.
Die Tage in Pakistan sind nun gezählt.
Bald geht's nach Indien!

Dienstag, 23. August 2016

Ein Alien in Pakistan

+++Karimabad+++Rakaposhi Base-Camp+++Gilgit+++Naran+++Abottabad+++

Meine zweite Woche in Pakistan ist vorüber.
Die Leute sind wirklich erstaunlich. Viele Autos hupen und ich werde oft gefragt, wo ich herkomme, wo ich hinwill. Selfis werden geschossen und Tee angeboten.
Ständig.
Kurzum - ich bin genervt!
Mir ist bewusst, das das wirklich Meckern auf sehr hohem Niveau ist und ich höre schon meine Freunde lästern:
"Guck dir den Pamer an - der knaut rum, weil ihm die Leute zu FREUNDLICH sind!"
Vielleicht ist es auch so nen deutsches Ding, deren Prototyp ich manchmal bin, an allem rum zu nörgeln.
Mir scheißegal!
Am Grenzübergang zu Pakistan bekam ich ein Informationsblatt für ausländische Touristen. "Ausländer" wurde darauf mit "Alien" übersetzt. Jetzt weiß ich auch warum.
Wenn ich irgendwo Halt mache werde ich sofort belagert. Gehe ich in einen Kiosk, so füllt sich dieser binnen Minuten mit allen Kerlen aus der Umgebung. Auch in voller Fahrt versuchen die Männer - Frauen scheint es hier kaum zu geben - mit mir zu sprechen ohne sich auf den Verkehr konzentrieren. Mehr als einmal war das ziemlich brenzlig, da die Straße zu eng wurde.
Alle meinen es nur gut und wollen nur mein Bestes. Sie wissen auch was mein Bestes ist.
"Hey Mister! You need a rest!"
"Hey Mister! You need a tea!"
"Hey Mister! Stop for a chat!"
"Hey Mister! You should go that way!"
"Put your bike here!" - "Put your bike there!"
...
Ich ertappe mich dabei, wie ich meine Augen verdrehe, wenn ich bemerke, dass das Auto, welches sich von hinten nähert, plötzlich langsamer wird. Im nächsten Moment ist es auf meiner Höhe und zich gezückte Smartphones werden auf mich gerichtet.
Ungefragt.
Wie im Zoo.
Ich komm mit soviel Aufmerksamkeit nicht zurecht. Ich habe es satt hier das blasse blonde Alien zu sein. Mir ist klar, dass das ungerecht ist.
Vielleicht kommt das auch von ner Art Kulturschock, gepaart mit einem wenig Heimweh. Die Reise neigt sich dem Ende zu und ich bin in Gedanken oft in der Heimat.
...
Allerdings war es mir nur Dank der Offenheit der Pakistanis möglich, auch ein paar klasse Bekanntschaften zu machen, für die ich sehr dankbar bin.
Da waren die Jungs aus Karimabad, die ich zufällig in nem Hotel traf, als ich mich nach der Strecke zum Rakaposhi Base-Camp erkundigte.
"Wir wollen gerade los! Du kommst mit uns!"
Rakaposhi ist mit 7788m einer der höchsten Berge Pakistans und die höchste Erhebung der Erde mit 6000m- vom Fuß zum Gipfel des Berges gemessen. Zwei Stunden Fußmarsch vor dem Base-Camp schlugen wir unser Lager auf.

Alle in einem großen Zelt. Die Freunde sind sehr säkuläre Moslems und so saßen wir inmitten der einsamen Berge und ich konnte alle meine Fragen loswerden.
Super interessant.
Blasphemie, so erfuhr ich, ist das schlimmste Vergehen. Es wurden schon Leute gehängt, weil sie Allah verspotteten. Gut zu wissen, dass ich meine zynische Ader hier mal abschalte. In Pakistan herrschen zwei Gesetzgebung. Eine weltliche, die auf die Besetzung der Briten zurück zu führen ist und die muslimische Sharia, die allerdings nicht so streng wie in Saudi Arabien durchgesetzt wird. Auch ist es ratsam, wenn man nach der Religion gefragt wird, dass man mindestens sagt, man sei Christ. Als Muslim gebe ich eh nicht durch. Dank der Kreativität meiner Eltern bei der Namensgebung schon gar nicht. Also bin ich die nächsten zwei Wochen Christ und erzähle vom Weihnachtsfest und christlichen Werten. Christen scheinen mir sehr willkommen zu sein. Gilt doch auch Jesus als einer der zahlreichen Botschafter Gottes im muslimischen Glauben. Lieber Christ als Atheist - Ungläubigkeit ist nicht verständlich. Auf jeden Fall stelle ich klar, dass ich keiner dieser Juden bin. Die mag man nicht so. Schlimmer als Jude ist nur noch schwuler Jude.
Das ist nicht die Weltsicht meiner Freunde, sie erklären mir nur wie es in traditionellen Regionen Pakistans zugeht.
Apropos Jude:
"Das Ding mit dem Hitler- war das wirklich so schlecht? Was denken die Deutschen darüber, und hat er sich wirklich selbst umgebracht?" ...sind so einige Fragen die mir hier ständig gestellt werden.
Natürlich waren auch Mädchen nen Thema. Will man Sex, muss man vorher ein Mädchen heiraten. Davor geht man zu den Eltern des Mädchens und bittet um Erlaubnis. Nach der Hochzeit wohnt das Mädchen bei den Schwiegereltern. Klingt ziemlich fern für uns Europäer, allerdings war es in Deutschland vor nicht allzu langer Zeit ja auch ähnlich. Ich wette in Teilen Bayerns ist das noch gang und gebe.
Auch erfuhr ich, das es einigen Eseln in Pakistan genau so ergeht wie in Kolumbien. Wahlweise auch Kühe oder Kamele.
"Siehst du wie verzweifelt die Leute sind!" lachte man mir zu.
...
Der nächste Tag - 14. August ist der pakistanische Unabhängigkeitskrieg. Da gibt es nix besseres als auf dem Gletscher am Base-Camp traditionelle Lieder zu singen und die Flagge zu schwenken.


Was für ein Ausblick. Riesige Schneemassen rollen in Zeitlupe den Berg hinunter. Man hört das Eis knacken und Steine fallen. Die Wildheit der Natur offenbart sich.

In Naran traf ich auch einige Kerle beim Abendbrot, mit denen ich eine ewige und gute Unterhaltung genoss. Natürlich gings auch um Hitler, aber Hauptthema waren die Regeln des Islams. Warum man kein Schweinefleisch essen sollte und wie man "halal" schlachtet.
"Meine Frau trägt ihr Kopftuch, weil sie das selbst will. Ich verbiete es ihr nicht, ohne Kopftuch herum zu laufen. Weißt du...." ... erklärte er mir...
"...eine Frau ist wie ein Schmuckstück das Respekt verdient. Man muss es vor neugierigen Blicken verhüllen. Außerdem schützt es vor Vergewaltigung."
Ich finde die Burka- Geschichte ja ganz geil. Hat so einen Schuluniform-Effekt. Nach dem Motto: Alle Menschen sind gleich!.... und.... Urteile nicht nach Äußerlichkeiten! ... Irgendwie edel. Wenn ich was zu sagen hätte, gäbe es in Deutschland Burkapflicht für alle! Auch für Männer.

Viele Leute freuen sich mich zu sehen und reden gern mit mir. Ihnen ist es wichtig, das ich mich sicher fühle, denn sie wissen, welches Image Pakistan in Europa hat. Ihnen ist es wichtig, dass Touristen in ihr Land kommen.

Auch die Polizei und die Anti-Terror- Einheiten, deren Checkpoints ich regelmäßig passiere achten auf meine Sicherheit. Zwischen den Städten Chillas und Naran ließen sie mich nicht allein fahren.
"Zu steil ist der Anstieg!" war ihre Begründung.
Mein Rad würde also kurzerhand auf eines dieser wunderschön bemalten Trucks verfrachtet. Am nächsten Checkpoint sagte mir ein Cop:
"Bis Naran bleibst du auf dem LKW. Es ist zu gefährlich. Hier gibt es Feinde." Nicht, das ich mich jemals unwohl gefühlt habe. Die Pakistanies versuchen nur 150%ig sicher zu gehen, das keinem Touristen etwas geschieht.

Samstag machte ich Rast in einem Cafe. Genervt von der Belagerung der Dorfjugend fuhr ich aus dem Dorf und verlagerte meine Pause an den Straßenrand. Ein Pickup mit Polizisten hielt neben mir. Was ich mache? Ob das Rad in Ordnung sei?
"Jaja! Alles klar! Ich mach nur eine Pause!"
"Wir werden dich bis zum nächsten Checkpoint begleiten!"
"Ok, ich bin aber langsam."
"Das macht nix."
Nach fünf Minuten war ihre Geduld am Ende.
"Das ist Zeitverschwendung. Wir laden dich auf den Pickup."
Am nächsten Checkpoint traf ich auf zwei Polizisten, die sich eine kleine 70 ccm Honda teilten.
"Wir fahren jetzt hinter dir her."
"Oh. Vielen Dank für Ihren Schutz!..." log ich ziemlich genervt. "...Warum ist das denn nötig?"
...kurze Beratung der Beiden...
"Das ist nicht nötig, wir mögen aber Touristen!" schwindelte er zurück.
15 km später war alles vorbei und ich durfte wieder allein weiter.

Ein Highlight dieser Woche war der Nanga Parbat. Der neunthöchste Berg der Welt mit 8125 m und somit auch der erste 8000 er den ich jeh gesehen habe. Allerdings war es ein wenig wolkig und ich konnte nur ein paar Blicke auf dem Berg erhaschen auf dem Reinhold Messner seinen Bruder im Stich gelassen hat.
Der nächste Halt ist Islamabad.
Inschallah.