Mittwoch, 29. Juni 2016

Die Wüste

+++Lake Qamystybas+++Baikonur+++Qysylorda+++

Diese Woche bin ich nen bisschen spät dran mit meinem Eintrag. Oft hatte ich kein Internet bzw ist der Akku vom Tablet runter und es gibt kaum Möglichkeiten diese unterwegs aufzuladen, wenn man die Nächte nur im Zelt verbringt. Also macht euch keine Sorgen, wenn die Einträge zukünftig nicht pünktlich zum Tatort online sind.

Schweren Herzens mussten wir unsere idyllische Hütte am See verlassen. Es lagen noch 660 km bis Shimkent vor uns. 660 km größtenteils Wüste.


Man muss ziemlich aufpassen immer genügend Wasser dabei zu haben. Teilweise schleppen wir so um die 10 Liter mit uns rum. Jeder.
Eigentlich kommen spätestens alle 70 km nen Kaffee, wo man sich neu eindecken kann- verlassen wollten wir uns darauf allerdings nicht. Ein einziges Mal hatten wir sogar Glück und trafen mitten im Nirgendwo eine Familie die an einer Bushaltestelle ne Tiefkühltruhe aufstellte und dort kalte Getränke und Eis verkaufte.


Mehrmals am Tag wurden wir von vorbeifahrenden Autos gestoppt, mussten Fotos machen und die obligatorischen "Wohin?"-"Woher?" Fragen beantworten. Wir nutzten die Gelegenheit und fragten immer wie weit es bis zum nächsten Kaffee sei.
...
Alik machte, trotz seiner 76 Jahre, einen kleinen Freudensprung als wir ihm erzählten, dass wir aus Deutschland kommen. Er sagt von sich selbst, er ist der Einzige im Umkreis von 200 km der deutsch sprechen kann. Und das konnte er ziemlich gut.
...
Jeff kam uns mit seinem Rad aus Richtung Shimkent entgegen. Er ist Amerikaner und ist schon seit Juli 2015 unterwegs. Er will sich die Auswirkungen der globalen Erwärmung anschauen. Da ist er in Aralsk genau richtig. Das Wasser ist soweit zurück gegangen, das die Stadt nunmehr 60 km vom Ufer entfernt ist. Aus einer Hafenstadt wurde Wüste. Schuld daran ist der übermäßige Anbau von Baumwolle in Usbekistan. Die Pflanzen benötigen Unmengen an Wasser, das von einem Fluss abgezweigt wird, der den Aralsee speist. Aber auch in Kasachstan haben wir viele Bewässerungskanäle gesehen, die riesige Sumpflandschaften entstehen lassen auf denen Schilf wächst. Dieses wird geerntet und an die Tiere verfüttert.
...
An einem Kaffee trafen wir ein paar neugierige Jungs. Sie posten mit ihrem Rad und begutachteten unsere. Auch mein Freunde-Abschieds-Lappen wurde inspiziert. Es ist ein Geschenk meiner Berliner Leute auf denen Fotos von ihnen sind.
Beim Bild von Paul stutzten sie und stellen fest, dass man mit so nem Irokesenschnitt nicht mehr rumlaufen sollte.
Sie meinten irgendwas mit "...infantiler Scheiße..."


Viele Pferde trabten durch die Steppe und auch Kamele und Kühe standen am Straßenrand. Aus der Ferne freuten wir uns auf die Bushaltestellen, die uns Schutz vor der Sonne versprachen. Oft waren diese allerdings schon besetzt und vollgeschissen. Auch direkt am Zelt fanden wir interessante Tiere. Ein Skorpion warf in mir die Frage auf, wie ausgesprochen clever es eigentlich von mir ist hier mit Flip-Flops rumzulaufen. Auch die Spinnen und Heuschrecken wurden immer größer.

Ich glaube es war Mittwoch als wir durch Baikonur fuhren. Die Stadt und das Gelände des Cosmodroms gehören zu Russland. Diese haben es nach dem Zerfall der Sovietunion von Kasachstan gepachtet. Demzufolge war es für uns nicht möglich sich die Abschussrampe anzuschauen. Nur von der Straße aus gelangen uns ein paar Aufnahmen. In Sichtweite der Radarstationen schlugen wir unser Zelt auf. Am Horizont sah man schon den herannahenden Sturm. Ich musste schnell mein Zelt abbauen und in einer geschützten Grube wieder aufstellen, da der Wind es beinahe zusammen gefaltet hatte. Jetzt weiß ich allerdings, dass meine Zeltstangen nicht brechen, sondern sich nur verbiegen.

Die Nacht erreichte ihren Höhepunkt als ich merkte, dass mir sauübel wurde und ich mich vorm Zelt komplett entleerte.
Mehrmals.
Geschwächt waren die 100 km am nächsten Tag nicht so einfach abzuradeln. Nach zwei Tagen gings aber wieder ganz gut.

 
Ende der Woche waren es hier 38 Grad im Schatten. Also, theoretisch. Es gab nämlich nirgends Schatten. Wir wickelten uns Tücher um den Kopf und wässerten diese ständig damit uns nicht das Gehirn wegschmolz.
Die Luft flimmerte.
Heiße Böen erwischten uns. Ich konnte das Knacken der Leitplanken hören, die sich unter der Hitze ausdehnten. Der Asphalt war so heiß, dass die Luft darüber einen Spiegel ausbildete. Wir kamen kaum voran und hatten bis zum späten Nachmittag gerade den halben Tagessoll abgefahren. "Ach Scheiß drauf! Wir fragen jetzt nen LKW-Fahrer, ob er uns mitnimmt." Das ging ziemlich einfach und so hatten wir die fehlenden 40 km im Nu.


Hier findet ihr die Blogeinträge von Sonja, Aki und Heinrich, als wir zusammen unterwegs waren:
Grenzenlostour - die Radkarawane von Ryzan
Bike-Russia - Astrachan und Zufälle
Bike-Russia - Asien
Bike-Russia - Zugfahrt durch Kasachstan  

Montag, 20. Juni 2016

von miesen Straßen und Heuschrecken

+++Qandyaghasch+++Schalqar+++Aralsk+++Lake Qamystybas+++

Sonntag morgen landete ich mit dem Zug in Qandyaghasch.
"Woher?", "Wohin?" und "Können wir mal deinen Reisepass sehen?" waren die ersten Fragen der Uniformierten auf dem Bahnsteig. Die Leute sind ziemlich nervös, nachdem in Aqtöbe vor einer Woche ein angeblicher IS Terroranschlag mit 20 Todesopfer verübt wurde.
Noch öfters sah ich Polizisten, teilweise in kompletter Kampfmontur, die Autos kontrollierten oder meinen Pass sehen wollten. Und das auf dieser kaum befahrenen Strecke.
Kamele

Ne dicke vertrauensvolle Linie verbindet die Ortschaften Qandyaghasch und Schalqar auf meiner Kasachstankarte.
In echt ist die Strecke teilweise nicht befahrbar und so dünn besiedelt, dass man höllisch aufpassen muss genug Wasser mitzunehmen.

Wenn man allerdings einem Auto begegnet so hält dieses auch an und man redet kurz miteinander.
So traf ich zum Beispiel einen Ranger, der mir meine Reisegeschichte nicht abnahm und mit einem zwinkernden Auge behauptete:
"Du bist kein Tourist! Du bist ein Spion! Nen amerikanischer Spion! Du bist ein böser Mann!"
Wie erbärmlich für die USA, wenn sie so nen verwahrlosten Typen in die Steppe schicken würden.
...
Bei einer weiteren Begegnung fragte mich ein Typ:
"......Wasser?"
"Nein, danke. Ich habe noch genug."
"Bekomme ich etwas von dem Wasser?"
Er nahm nen Schluck meines kostbaren Wassers in den Mund und rotzte es auf die Straße ohne es zu trinken.
"Wasn Arsch!" dachte ich.
Erst nach ner ganzen Weile ist mir eingefallen, dass er wahrscheinlich praktizierender Muslim ist und im Ramadan tagsüber nichts trinken darf. So half ich ihm beim Schummeln.
...
Die einzige Möglichkeit meine Vorräte auf der 260 km Strecke aufzufüllen war in nem kleinen Kuhdorf. Hier gab es tatsächlich ein Geschäft und auch ein Kaffee.
Das mit dem Kaffee behauptete zumindest der 12 jährige Karim.
"Ich bring dich dahin!"
Unterwegs trafen wir seinen Kumpel Rastan, 6 Jahre. Nachdem dieser sich mit seinem Rad gemault hatte, mussten wir schieben. Es dauerte ewig. Unterwegs wurde ich abgeklopft: "Hast du eine Oma?"
"Hast du Snickers?"
"Hast du Schnaps?"
"Hast du einen Opa?"
"Hast du einen Bruder?"
"Hast du ein Telefon?"
"Ist es ein iPhone?"
"Samsung Galaxy?"
"Kennst du Real Madrid?"
"Hast du Kekse?"
"Kann ich das Telefon mal sehen?" ...
Ich schob bei 30 Grad mein sauschweres Rad über die Sandstraßen. Irgendwann kam ich mir verarscht vor. Ich denke es gibt gar kein Kaffee. Erst recht nicht hier. Mitten in der Steppe, weit außerhalb des Dorfes - wir hatten schon ganz schön Strecke gemacht!
So teilten uns meine Pepsi und kommentierten das mit nem Rülpswettbewerb, in denen ich die Stifter vernichtend schlug.
Triumphierend und ohne Kaffee machte ich mich wieder auf den Weg.
...
Mit den meisten Leuten die auf der Straße anhielten, musste ich ein Foto machen. Ziemlich oft bekam ich auch was geschenkt. Käse, eiskaltes Wasser oder Milch. Ich habe gehört, das Pferdemilch ne drogenähnliche Wirkung hat.
Kann mir das jemand bestätigen?
An nem Bahnübergang hatte Akim Dienst. Er ist Schrankenwart.
Der Einfachheit halber sind dieSchranken einfach immer geschlossen und werden nur für herannahenden Autos geöffnet. Das passiert seltener, als das ein Zug durchfährt.
"Willst du Wasser oder nen Tee?"
"Tee ist gut!" sagte ich.
Und so saßen wir bei ihm im Kabuff. Wir versuchten uns ein wenig zu unterhalten. Mit Händen und Füßen eben.
"Wieviele Kinder hast du?"
"Acht!" sagte er und zeigte die Anzahl mit seinen Fingern. Von seinem kleinen Finger fehlten ein paar Glieder. 
"Das arme Kind..." dachte ich.
Für die kälteren Tage gabs nen kleinen Ofen in seinem Verschlag. Er öffnete die Ofentür - dieser war voll mit Papiermüll- und fingerte in ihm herum. Eine Wodkaflasche und nen keimigen Becher brachte er zu Tage.
"Kennst du das? - Wodka!" und schenkte sich einen ein.
Mal gut, dass meine Zugfahrt mit der kasachischen Bahn schon vorbei ist.

Die Tage sind sehr heiß und die Sonne ballert erbarmungslos. Ich habe mir vorgenommen der größten Hitze zu entfliehen, indem ich die Mittagszeit in nem schattigen Platz verbringe. In einer Region ohne Bäume und Sträucher muss man ziemlich kreativ sein.

In Schalqar entschied ich mich für die bessere, aber auch deutlich längere Strecke nach Aralsk. Keine Experimente mehr! Auf ner ziemlich neues Asphaltstraße mit ordentlichem Rückenwind und wenig Verkehr gings zügig nach Aralsk.
Ich fuhr mir den zweiten Platten mit meinen "unplattbar" Schwalbe-Reifen ein. Kann die mal einer verklagen? War mir aber auch irgendwie egal, ich flickte ihn schnell und beeilte mich nach Aralsk zu kommen. Hier warteten Sonja und Aki schon auf mich.


Zusammen mit der Französin Twet streunerten wir durch die Stadt. Die Jugendlichen hatten ihren letzten Schultag und bevölkerten mit totschicken Anzügen und Kleidern kostümiert die Innenstadt. Überall schöne Menschen und wir.


Samstag brach die Apokalypse über uns herein. Der Himmel über der Straße verdunkelte sich, als riesige Heuschreckenschwärme darüber hinweg zogen. Manche landeten auf der Straße. Das Geräusch, als ob man in einen Kartoffelchips beißt, ist vergleichbar mit dem unter den Rädern zermatschender Insekten.
Die Straße verfärbte sich über weite Strecken gelblich.
Und stinken tut das auch.

Unsere erste gemeinsame Radtour brachte uns an einen See. Eine einfache Hütte aus Spanplatten bot eine Spitzenunterkunft.
Einige Leute machten hier Urlaub, saßen zusammen, spielten Gitarre bis spät in die Nacht und bereiteten ihr Schaschlik zu.

Immer wieder rechneten wir die verbleibenden Kilometer den notwendigen Tagen entgegen um herauszufinden wie wir es anstellen könnten einen ganzen Tag hier zu verbringen. Aber es ging nicht auf.

Wir werden jetzt bis Shimkent wieder als Radkarawane unterwegs sein.
Ich freue mich auf die gemeinsamen Tage.



Sonntag, 12. Juni 2016

die Woche mit Heinrich

+++Astrachan+++Grenze zu Kasachstan+++Atyrau+++Qandyaghasch+++

Sonntag regnete es in Strömen. Und das an meinem Geburtstag!
"Na wenigstens haben wir Kaffee!" dachte ich und lungerte bis nachmittags im Hostel rum.
Ich hatte mich lose mit den Jungs und Mädchen vom Vorabend verabredet und so traf ich mich mit Vasiliana, die mir die schönsten Ecken ihrer Heimatstadt, Astrachan, zeigte. Später stießen die anderen zu uns. Heinrich, Dascha, ihr Verlobter Sergey sowie die Brüder Oleg und Sergey.
Dascha wollte mit uns musizieren und ich einen auf meinen Geburtstag ausgeben. Also belagerten wir das Haus der Brüder, bei denen ich auch die Nacht verbringen durfte, und ich überzeugte alle, dass man nach nur 8 Jahren Gitarrenunterricht immer noch ziemlich gut den Anfang von 'Jingle Bells' spielen konnte.

Ich musste mich auf meinen Stuhl setzten, das Licht wurde ausgeschaltet .....




Super krass. Einen Tag zuvor war ich damit zufrieden wenigstens heute nicht den ganzen Tag auf der Straße zu verbringen und dann findest du wildfremde und super freundliche Menschen, bei denen du schlafen kannst und die sich freuen mit dir Zeit zu verbringen. Und obendrein zaubern sie dir auch noch ein Geschenk.
Bierkuchen nannten sie ihre Torte aus Weißbrot, Majo, Würstchen und anderen Zutaten. Wir saßen bis spät in der Nacht in der kleinen gemütlichen Küche.




Montag ging es für mich und Heinrich weiter in Richtung Kasachstan. Die letzte Nacht in Russland verbrachten wir in Sichtweite zum Grenzübergang. Im Dunkeln sah man die Lichter am Horizont.
"Wo kommt ihr her?" Haute uns mal wieder jemand an, als wir gerade zum x-ten mal unsere Pässe rauskramten.
 "...aus Deutschland..."
Er knallte seine Hacken zusammen, erhob die Hand zum deutschen Gruß und rief:
"Ah!!!... Faschista!!! Adolf Gittler!!!"
Wir haben das mal unkommentiert gelassen, während der Grenzbeamte über beide Wangen schmunzelte.


Die Region nahe am kaspische Meer war voller Nutztiere. Überall gab es kleinere und größere Kuh- und Pferdeherden und so dauerte es auch nicht lange, bis wir das erste Kamel sahen.
Diese dümmlich dreinblickenden Tiere mit den schiefen Zähnen und dem zottelligen Winterfell welches sich nur fetzenweise von Ihren Körper schält. Ich fühlte mich ein wenig verarscht, als ich sie zum ersten Mal rennen sah. Diese Bewegung erinnern an ungelenke Jugendliche nach nem Wachstumsschub, die nicht so richtig wissen, wohin mit ihren Extremitäten.


Die Steppe macht sich breit. Alles ist gleichmäßig flach, Sträucher verschwinden aus der Landschaft und Bäume sucht man sowieso vergebens.
Nen paarmal wars so knapp, dass ich mir fast in die Hosen geschnullt hätte, weils keine passable Stelle gab.


Es war schön nen Companion auf der Strecke zu haben. Wir quatschen fast den ganzen Tag und so schmolzen die Kilometer nur so dahin. Gerade solch anstrengenden Aktionen, wie der Grenzübergang oder die Registrierung in der Migrationsbehörde, kann man zu zweit auch viel besser meistern. Ganz zu schweigen davon, das es auch ganz nett ist sich gegen Abend mit jemandem unterhalten zu können und die Eindrücke zu teilen


Ich ließ es nicht zu, dass wir uns so nah am Meer befanden, ohne den Versuch zu starten Baden zu gehen. Also suchten wir uns nen passenden Feldweg und fuhren soweit wir konnten. Den letzten Kilometer mussten wir zu Fuß gehen. Es wurden drei Kilometer, da das Wasser gerade ziemlich niedrig steht und das Ufer sehr flach ist. Am Strand trafen wir auf  Kamele und Pferde. Nur Baden war schwierig. Wahrscheinlich müssten wir dann noch ne Stunde länger im Wasser waten bis dieses uns bis zu den Knien geht. Zurück an den Rädern müssten wir feststellen, dass wir Besuch hatten. Die Taschen waren geöffnet und Heinrich fehlte Geld.
Oh man diese Schweine!
Da hilft nur eins: nen Wodka auf den Schreck!


Freitag Mittag erreichten wir Atyrau. Irgendwie hatte ich da ne arme, kleine Stadt erwartet. Mit Basar, Kamelen und Sand. Allerdings ist die Region geprägt vom Öl- und Gasabbau und dem damit verbundenen Wohlstand.
Wirkt irgendwie wie ein kleines Abu Dhabi- nur schöner. Ganz nebenbei fließt hier auch der Ural durch die Stadt und bildet somit die Grenze zwischen Europa und Asien.
Yuhhu- wir sind in Asien!!!!

Nurlan, Raushan und Daniyl - Leute aus der Couchsurfing- Community trafen sich mit uns. Wir fuhren durch die Stadt und gingen in eine Moschee. Zur Zeit ist ja Ramadan, da ist tagsüber nicht soviel los.
Sie sind vielseitig engagiert und in mehrere Projekte eingebunden. So haben sie eine Petition zur Neubepflanzung einer Brachlandschaft am Uralufer durch bekommen und versuchen jetzt ihren eigenen Central Park in Atyrau zu erstellen. Jeder ist eingeladen hier Bäume zu pflanzen und zu pflegen. Außerdem organisieren sie auch Critical Mass Veranstaltungen.
Anpacken statt rummeckern ist deren Devise.
Da halt ich was von!

Abends wartete der Zug auf uns. Ich wollte nen bisschen Strecke machen, um den Umweg über Wolgograd wieder auszugleichen.
Erlaubt ist es nicht, Fahrräder mit ins Abteil zu nehmen. Mit ein wenig Schmiermittel ist allerdings alles möglich.

Leider trennen sich hier auch Heinrichs und meine Wege. Er muss weiter nach Astana, während ich schon in Quanyaghasch aussteige und Richtung Aralsk starte. Es war ne verdammt coole Woche zu zweit und irgendwie fühlt es sich falsch an sich zu trennen.

Hey Heinrich- danke für die tolle Zeit! Ich wünsche dir noch nen aufregenden Trip und wir sehen uns in Deutschland.

Gefreut habe ich mich auch über die Nachrichten aus Deutschland die mich erreichten: Willkommen Hugo! Im Juni Geborene sind die Besten!





Samstag, 4. Juni 2016

Die Steppe kommt näher

+++Wolgograd+++Baskuntschak+++Astrachan+++

Ok... ich werde versuchen mich diesmal nicht über diese Fliegenplage aufzuregen. Zumindest nicht viel.
Liebe deine Feinde ... und so..

Mit nem leichten Sonnenbrand erreichte ich Wolgograd, früher Stalingrad. Im Sommer ist es hier ziemlich heiß, im Winter sind -30 Grad keine Seltenheit. Ist ja auch aus dem Geschichtsunterricht bekannt. Ab -24 Grad bekommen die Kinder "Kältefrei".

Ich verbrachte eine tolle Zeit mit meinen Couchsurfingfreunden. Abends saßen wir bei Bier am Flußufer und hörten K.I.Z. (Lustigerweise hatten SIE das in ihrer Playlist)
Tagsüber schlenderten wir durch Wolgograd. Nen Panorama zeigt eine Illustration der großen Schlacht und das angehangen Museum ist voller Waffen und Ausstellungsstücke aus dieser Zeit.
So voll wie die Stadt voller nervtötender Fliegen ist. Die Anwohner brechen sich kleine Zweige ab und schlagen sich damit ins Gesicht um dieses Viehzeug zu vertreiben. Das hilft tatsächlich! Der einzige Nachteil daran, sich ständig nen Ast ins Gesicht zu peitschen, ist- man hat ständig nen Ast im Gesicht!


Als Wahrzeichen Wolgograd thront die "Mutter Heimat" Statue. Sie erinnert an den Sieg Russlands über den Faschismus. Allerdings droh dieses Monument - groß wie die Freiheitsstatue - umzufallen, wenn es nicht bald restauriert wird.
Am Flußufer steht das beeindruckendste Denkmal an den Krieg. Die Ruine einer bombardierten Mehlfabrik. Das Haus bringt einem den Schrecken des Krieges näher, als alle anderen Denkmäler mit "ewiger Flamme", Panzern, Flugzeugen oder Abbildungen im Sozialistischen Realismus, die man alle Nase lang in Russland findet.
Mein persönliches Highlight sind die kleinen LADAs, deren Pastelllack stets gut gewienert ist.

Dienstag war Aufbruch in Richtung Astrachan. Die Landschaft gab mir einen Vorgeschmack auf die Steppe, die mich in Kasachstan erwartet. Ich versuche immer hinter ein paar Bäumen zu zelten, so dass mein Lagerplatz von der Straße aus nicht einsehbar ist. Das wird langsam schwierig. 

Jeden Morgen donnern Kampfjets über die Steppe.
Hab ich was verpasst?
Ihr würdet mir doch Bescheid geben!

Apropos Kampfjets - die Luft ist natürlich auch voller Fliegen.
Voller dämlicher Scheißfliegen. Allerdings bin ich nicht unbewaffnet. Ein Rucksack voller Chemie und ein frischer Imkerhut bewahren mich vor dem Schlimmsten. Wie ein Alien kostümiert baue ich so jeden Abend mein Zelt auf, schmeiße in Sekundenbruchteilen alle Sachen von mir auf denen diese dämlichen Biester kleben und husche ins Zelt. Verriegele alle Reißverschlüsse. Nach einem zehn minütigen Kampf gegen die Tiere die es doch noch hereingeschafft haben, habe ich endlich meine Ruhe. Friedlich bette ich mich auf den Leichen. Allerdings kann ich das Zelt bis zum Morgen nicht mehr verlassen.
Draußen droht die Invasion. Wie Regengeprassel trommeln sie an die Zeltwand.
....
Aber ich will mich ja da nicht drüber aufregen.

Ganz nebenbei hab ich noch ne echt brauchbare Medizin gefunden. Nen frischer Tee aus diesen Kräutern am Straßenrand vertreibt zwar nicht die Fliegen, sie sind einem aber anschließend egal.


Nen kleiner Umweg brachte mich zu einem riesigen Salzsee. Viel salziger als ich das von nem Salzigen See kenne. Diese lebensunfreundliche Umgebung war dann mal fliegenfrei. Der salzige Boden wirkt wie ein Peeling und hilft gegen den Juckreiz - wurde mir gesagt.
Ich glaub mein Rad fand es nicht so toll.

So trostlos die Landschaft entlang der Wolga aussieht, steckt sie doch voller Leben. Neben allerhand Echsen, Fröschen und Schlangen sieht man ab und an auch Schildkröten. Kleine hysterische Erdmännchen warnen ihre Artgenossen, wenn man an deren Bau vorbei radelt um dan blitzschnell in einer Höhle zu verschwinden. Überall laufen Kühe und Pferde herum. Ohne Zaun und ohne Hirte. Die Straße ist so gerade und das Gelände so eben, dass man schon von weitem sieht, ob da gerade ein Schwarm Kühe die Straße kreuzt.

Der Grenzübergang bei Astrachan ist die südlichste Möglichkeit um von Russland nach Kasachstan einzureisen. Deswegen war es auch nicht verwunderlich, dass mich eine Frau in einem Geschäft mit:
"Ach du bist auch Deutscher..." begrüßte
"Auch?"
"Vor 4 Tagen war schonmal einer hier. Er war mit dem Rad unterwegs."
Heinrich traf ich dann gestern in Astrachan. Zufällig war er mit seinen Gastgebern auf den Straßen unterwegs, als ich Ihnen in die Arme fuhr. Sie begleiteten mich zum Hostel. Ich checkte ein, duschte und traf sie wieder bei nem Bier auf der Straße. Inzwischen war da eine Meute von 10 Radfahrern vor dem Hostel. Kein Wunder, dass die Polizei später etliche Rahmennummer kontrollieren wollte.

Auch ein anderer Radfahrer kam mir entgegen.
"Where are you from?" fragte ich.
"Austria."
"Ach krass, ich bin auch Deutscher!"
"Ich bin Österreicher!"
... es wurde nur nen recht kurzes Gespräch. Was ist nur mit diesen Alpenbewohnern?

Ziemlich cool fand ich die Jungs auf Ihrer JAVA. Sie kamen aus der Slowakei und waren unterwegs in die Mongolei. Alle möglichen Sachen bammelten an ihrem Hobel. Zusätzlich hatten sie noch nen Anhänger. Bis jetzt gab es kaum Probleme mit Ihren Mopeds.
Warum nicht?

Die Gegend vor Astrachan sieht aus wie Dresden 2002. Riesige Wasserflächen aus denen vereinzelt ein Baum empor ragt. Hier beginnt das Wolgadelta.

Am Montag werde ich zusammen mit Heinrich nach Kasachstan aufbrechen. Heute treffe ich mich nochmal mit ihm und den Radfahrern von gestern.
Soweit von mir.